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Auf ein Wort

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – „Meinen Hass bekommt ihr nicht“

„Alles geschehe in Liebe“: Das sind vertraute Worte, das ist „Kirchendeutsch“ wie man es „bei Kirchens“ erwartet, weil da immer von Liebe geredet wird, zu Recht. Diese Aufforderung geht manchen zu glatt „runter“, weil sie entweder zu unkonkret ist oder aber uns in ihrem Anspruch schlichtweg überfordert. Wie soll man mit Konflikten umgehen, wenn die Liebe doch das oberste Gebot ist? Unter dem Tisch halten, so lange es geht, so als gäbe es sie nicht? Problem: Irgendwann kann ein ungelöster Konflikt hochgehen wie eine Bombe und richtet dann mehr Schaden an, als wenn man sich ihm früher gestellt hätte. Oder er wird unterschwellig ausgetragen, unter dem Deckmantel scheinbarer Freundlichkeit, und die Harmonie ist nicht echt. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“:

Die Jahreslosung für 2024 hat in unserem Land eine neue Dimension bekommen: Nämlich, wie wir nicht nur mit anderen Meinungen umgehen, sondern mit Hass. Groß war der Widerwille bei vielen Menschen, als Donald Trump auf unglaubliche Weise Andersdenkende verunglimpfte und beleidigte. Seine aggressive und menschenverachtende Sprache hat schon längst Einzug in unser Land gefunden. Aber erst die Berichte über ein Geheimtreffen zur „Remigration“ von Millionen Menschen haben viele Menschen wach werden lassen, Tausende gehen auf die Straße. Aber wie können wir mit den Konflikten umgehen, die in der Tat da sind und nicht einfach ignoriert werden können? 

Das erste ist: Die eigene „Blase“ verlassen. Wir brauchen das Gespräch, nicht nur mit denen, die unserer Meinung sind. Viele lesen, hören und sehen nur die Informationen, die ihre eigene Meinung bestätigen. Und sprechen gar nicht erst mit Menschen, die eine andere Meinung vertreten. Die bundesweite Aktion „Deutschland spricht“ ist eine gute Form, das Gespräch mit Andersdenkenden wieder einzuüben. 

Das geht aber nur auf der Grundlage: (Zweitens) Wir akzeptieren einander trotz unterschiedlicher Meinung. Wir reichen einander die Hand, sprechen miteinander Andacht 5 nicht von oben herab, sondern „auf Augenhöhe“. Die und der Andersdenkende ist trotz der anderen Meinung immer ein vollwertiger und liebenswerter Mensch. Im Gespräch verkünde ich nicht einfach nur ungefragt meine Meinung, sondern ich höre genauso aufmerksam und wertschätzend zu, wie ich es von meinem Gegenüber erwarte. 

(Drittens) Ich achte auf meine Sprache – das müsste uns allen klar sein, wie wichtig die ist, allein schon in unseren eigenen Beziehungen. Sobald ich anderen vorwerfe „Immer machst du…“, „niemals höre ich von dir…“, „ständig denkst du…“, läute ich schon das Ende der Beziehung ein. Weil ich damit ihr oder ihm überhaupt keine Chance mehr gebe, sich mir verständlich zu machen. 

Und beim Vierten bin ich wieder am Anfang, bei der Liebe – oder ihrem Gegenteil: Dem Hass. Der französische Journalist Antoine Leiris verlor beim islamistischen Anschlag im Bataclan in Paris 2015 seine Frau und die Mutter seines Sohnes. Er schrieb „Ihr habt mir das Liebste genommen … aber meinen Hass bekommt ihr nicht“. Es gibt Menschen, die offen Hass auf andere verbreiten, und es gibt Parteien, die dies fördern. Deren Hass müssen wir eine Haltung entgegensetzen, die nicht menschenverachtend ist, die aber auf Sorgen hört, die diese Menschen antreiben. „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ – wir sollten nicht durch Gegenhass und Verunglimpfung auf sie reagieren, nicht durch die Spirale von Hass und Gegenhass. „Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen“: auch die schärfste Diskussion um die Gestalt und die Werte in unserem Land und in unseren Gemeinden. 
Tilman Heidrich